Melanie Raabe: “Kreativität. Wie sie uns mutiger, glücklicher und stärker macht"
Ich stelle dir in meiner aktuellen Buchkritik das sehr persönliche Buch der Schriftstellerin Melanie Raabe vor. Das Sachbuch liefert einen guten Einstieg in das Thema Kreativität und macht Lust auf mehr.


Das Sachbuch “Kreativität. Wie sie uns mutiger, glücklicher und stärker macht” von Melanie Raabe befasst sich mit Fragen rund um das Thema Kreativität. Die Autorin Melanie Raabe gibt in ihrem Buch sehr persönliche Einblicke in ihr eigenes kreatives Schaffen als Schriftstellerin. Auf gut 350 Seiten verfolgt das Buch das Ziel, die LeserInnen mit vielen konkreten Tipps in ihrer kreativen Tätigkeit zu ermutigen und zum Erfolg zu führen. Das Sachbuch, das - mit vielen Anekdoten angereichert - als klassischer Ratgeber daherkommt, ist im November 2020 in der Penguin Random House Verlagsgruppe erschienen.
Inhaltliche Zusammenfassung von Melanie Raabes Sachbuch Kreativität
Nach einem kurzen Vorwort beschäftigt sich die Autorin im ersten Kapitel damit, was Kreativität eigentlich ist und welche positiven Effekte sie auf unsere Persönlichkeit und das eigene Wohlbefinden hat. Ab dem zweiten Kapitel verfolgt das Buch in weiten Teilen Ziele eines klassischen Ratgeber-Titels. Schritt für Schritt geht es dabei um die folgenden Themenbereiche:
den eigenen kreativen Ausdruck finden und den Anfang wagen
Kreatives Schaffen im Alltag verankern, um inspiriert und produktiv zu bleiben
Dinge überwinden, die die eigene Kreativität hemmen können
Weiterentwicklung und kreatives Wachstum
Die einzelnen Kapitel sind in Unterkapitel unterteilt. So werden in Kapitel vier, in dem es um Dinge geht, die das eigene kreative Schaffen hemmen können, folgende Schwerpunkte gesetzt:
Erwartungen
Verurteilung und Scham
Angst und ihre Erscheinungsformen
Vergleiche
Zu den einzelnen thematischen Schwerpunkten gibt Melanie Raabe den LeserInnen viele Tipps und Ratschläge an die Hand, die sie ausprobieren und in ihren eigenen Alltag integrieren können. In Bezug auf das Thema Produktivität empfiehlt sie beispielsweise das Etablieren von Routinen oder das Abschalten von Ablenkungen durch Smartphone und Internet und gibt dabei konkrete Hinweise, welche Apps ihr selbst dienlich sind.
Die Autorin greift vor allem auf eigene Erfahrungen zurück, beschreibt also beispielsweise ausführlich, wie sie eigenen Ängsten begegnet oder wie sie mit Kritik umgeht. Darüber hinaus erwähnt sie an der ein oder anderen Stelle auch Methoden und Techniken, die sie persönlich nicht anwendet, die aber gemeinhin eine gewisse Relevanz bzw. Akzeptanz genießen (beispielsweise die Wirkung von Meditation).
Mit dem sechsten Kapitel wendet sich Melanie Raabe an all diejenigen, die ihr kreatives Hobby zum Beruf machen möchten. Hier geht es weniger um das Thema Kreativität als vielmehr um die Dinge, die freischaffendes Arbeiten mit sich bringt. Raabes Ratschläge diesbezüglich - sei es die Relevanz von Routinen oder die Gestaltung der richtigen Umgebung - sind den LeserInnen auch schon in den vorangegangenen Kapiteln begegnet und werden hier noch einmal gesammelt dargestellt.
Das letzte Kapitel schließlich stellt einen Exkurs dar und befasst sich mit Kreativität außerhalb des künstlerischen Schaffens. Hier geht es vor allem um Erfindungen und wie wichtig Kreativität in Krisen ist. Möglicherweise entstand dieses Kapitel vor dem Hintergrund der Corona-Krise, während der die Autorin es verfasst hat.
Sprache und Stil des Kreativität-Ratgebers


Melanie Raabe startet mit ihrer eigenen Geschichte in ihr Buch und positioniert sich schon auf den ersten Seiten als “eine von uns”. Sie begibt sich mit ihren LeserInnen auf eine Stufe, betont stets, kein Genie zu sein (“Ich bin das Gegenteil eines Wunderkindes”; “Zum Glück kann auch ein eher durchschnittlicher Mensch wie ich sich kreativ ausdrücken, etwas erschaffen”). Mit der Tatsache, dass sie trotzdem als Bestseller Autorin erfolgreich von ihrer kreativen Arbeit leben kann, will sie den LeserInnen Mut machen, das gleiche Ziel zu verfolgen.
So macht sich die Autorin nahbar, erzählt von eigenen Schwierigkeiten und berichtet aus ihrem Alltag als Schriftstellerin. Viele Kapitel beginnen mit einer persönlichen Anekdote, beispielsweise “Ich liebe Silvester”, oder: ”Als ich gerade laufen lernte, verliebte ich mich nach Aussage meiner Eltern in eine ihrer alten Schallplatten: “Schwanensee” von Tschaikowski.”
Auch sprachlich sucht die Autorin die Nähe zu ihren Leserinnen, spricht sie teilweise direkt an: “Alles, was ich in meiner bisherigen kreativen Karriere gelernt habe, habe ich hier für dich zusammengefasst. In der Hoffnung, dass dir irgendetwas davon weiterhilft.”
Melanie Raabe schreibt in einem locker leichten Tonfall, der dazu einlädt, die Kapitel hintereinander weg durchzulesen. Durch die vielen Anekdoten aus ihrem eigenen und dem Leben anderer Kreativer, liest sich das Buch flüssig und ist leicht verständlich. Der grundsätzlich positive, optimistische Tonfall mutet mitunter ein wenig “amerikanisch” an. Auch wenn Themen wie Selbstzweifel oder Ängste angesprochen werden, legt die Autorin Wert darauf, nicht zu viel Schwere aufkommen zu lassen. Unterstrichen wird dieser lockere Stil durch die Illustrationen, die betont heiter daherkommen. Dies mag nicht jedermanns Sache sein und dem ein oder anderen etwas oberflächlich erscheinen.
Buchkritik: Stärken und Schwächen von Melanie Raabes Sachbuch
Bei den vielen konkreten Ratschläge und Tipps ist für alle LeserInnen etwas dabei, was sich für die eigene kreative Tätigkeit adaptieren lässt. Die Autorin gibt bewusst keine konkrete “Anleitung” an die Hand, sondern vielmehr einen Strauß an Möglichkeiten, aus denen die LeserInnen auswählen können, welche Methoden für ihr eigenes Schaffen am besten geeignet sind. Immer wieder denkt man beim Lesen “das könnte ich auch mal probieren”, ertappt sich dann aber dabei einfach weiterzulesen. So kann am Ende der Lektüre der Eindruck entstehen, dass zwar vieles möglich ist, man aber trotzdem nicht so genau weiß, wie man nun am besten loslegt, auf dem Weg zur erfolgreichen kreativen Tätigkeit.
Zwischen den klassischen Ratschlägen finden sich immer wieder interessante Gedanken, die die Autorin ausführt, beispielsweise zum Thema Motivation. So erklärt die Raabe, dass sie Motivation für völlig überbewertet hält und vergleicht Motivation sehr treffend mit einer “Freundin, die gerne mit dir loszieht, wenn du gut drauf bist und alles eitel Sonnenschein ist, und die dich im Stich lässt, sobald die Dinge schwierig werden.” Statt sich auf die eigene Motivation zu verlassen, die von Emotionen abhängt und entsprechend kommt und geht, empfiehlt die Autorin, auf Routinen zu setzen, die auch in schwierigen Zeiten ein Gerüst geben, an dem man sich festhalten kann.
Auch die Definition des Flow Zustandes (“Flow ist ein geradezu magischer Zustand: Wir sind völlig versunken in unsere Aufgabe. Alles ist perfekt. Unsere Aufgabe überfordert uns nicht, aber sie unterfordert uns auch nicht. Stattdessen absorbiert sie uns total. Raum und Zeit scheinen nicht mehr zu existieren, es ist wie ein sanfter Rausch.”) oder der Vergleich von Kreativität mit dem Bild eines Gartens zu unterschiedlichen Jahreszeiten, sind sehr treffend und anschaulich formuliert.
Positiv hervorzuheben ist zudem die umfangreiche Quellensammlung am Ende des Buches. Alle, die sich nach der Lektüre intensiver mit dem Thema Kreativität auseinandersetzen möchten, finden hier viel weiterführende Literatur. Auch die Liste motivierender TED Talks zum Thema Kreativität ist positiv zu erwähnen.
Nicht ganz schlüssig empfinde ich die Aussagen rund um das Thema Talent. Auf der einen Seite betont Raabe wiederholt, dass nicht Talent ausschlaggebend für ein beglückendes und erfolgreich kreatives Schaffen sei. So endet das Buch im Nachwort auch mit der Geschichte der völlig untalentierten Opernsängerin Florence Foster Jenkins und dem Schlusssatz: “Am Ende des Tages kommt es nur darauf an: aufs Machen und auf die Freude daran.”
Auf der anderen Seite betont Raabe dann doch immer wieder, wie wichtig es sei, “sein Ding” zu finden und dass dies eben sehr wohl mit Talent zusammenhängt. Als sie von der Suche nach ihrem eigenen Ding, dem Schreiben von Romanen, erzählt, betont sie wiederholt, dass die Dinge, in denen sie scheinbar weniger talentiert ist, aus diesem Grund auch nicht “ihr Ding” werden konnten (“Die weinerlichen Gedichte, die ich als Teenager schrieb, sind mir inzwischen ausgesprochen peinlich” oder “Wenn ich mir heute die Videoaufnahmen von Stücken anschaue, an denen ich als Jugendliche mitwirkte, möchte ich weinen.”)
Raabe versucht mit ihrem Buch potenziell alle anzusprechen, die mehr Raum für Kreativität in ihrem Leben schaffen wollen, unabhängig davon, ob jemand im Alltag hin und wieder aus Lebensmittelresten ein “einmaliges Menü” kreieren will oder mit einer künstlerischen Ausdrucksform beruflich erfolgreich sein möchte. Eine etwas stärkere Eingrenzung - vermutlich auf die Menschen, die ihr kreatives Schaffen zum Beruf machen wollen - hätte vielleicht für etwas mehr Fokus gesorgt und die LeserInnen mit einer konkreten Vorstellung zum weiteren Vorgehen aus der Lektüre verabschiedet.
Fazit: Der Kreativitäts-Ratgeber von Melanie Raabe gibt einen guten Einstieg in die Thematik
“Kreativität. Wie sie uns mutiger, glücklicher und stärker macht” ist ein Buch, das man in kurzer Zeit durchlesen kann und das Lust auf mehr Kreativität im Alltag macht. Melanie Raabe gibt ihren LeserInnen viele Inspirationen und Ratschläge an die Hand, mit denen sie sie auf ihrer kreativen Reise begleitet. Dabei legt sie besonderen Wert darauf, Menschen ohne “Ausnahmetalent” in ihrem kreativen Schaffen zu ermutigen. Durch die vielen Beispiele und Quellen zu weiterführender Literatur stellt das Buch einen guten Einstieg in die Thematik dar und macht Lust darauf, sich intensiver mit Kreativität zu beschäftigen.
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